Herbstwanderung im Kronacher Raum

 Einmal mehr haben wir, die Gruppe sportliche Freizeitgestaltung, unsere geführte Wanderung zur Erkundung der Geschichte unserer Heimat genutzt. Diesmal ging es in den Nachbarlandkreis Kronach. Das erste Ziel: das Mitwitzer Wasserschloss.

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Eine Rarität unter den mittelalterlichen Burgen in Franken, nur noch im Spessart mit dem Schloss Mespelbrunn anzutreffen. Übrigens, auch das Oeslauer Schloss war ringsum durch einen Wassergraben geschützt, leider wurden Schloss und Kammergut im Mai 1848 durch einen Großbrand bis auf die Grundmauern vernichtet.

Wasserschloss 10 19


Hält das Wetter?

Am 25.09.2019 gegen 10:30 Uhr konnte Volkmar Schulz, Leiter der Gruppe sportliche Freizeitgestaltung, eine recht stattliche Wandergruppe mit über 20 Teilnehmern am Treffpunkt Oeslauer Bahnhof begrüßen. Besorgt richteten sich unsere Blicke immer wieder zum Himmel. Denn trotz nachlassenden Nieselregens zogen ständig dunkle Regenwolken gen Osten. Befürchtungen, dass unsere Wanderung ins Wasser fallen könnte, erwiesen sich jedoch als unnötig. Denn kaum war unser Autokonvoi in Mitwitz angelangt, zeigten sich die ersten blauen Löcher zwischen den Wolken. Die Sonne hatte ihren Scheinwerfer eingeschaltet.


Mit Sportfreund Waldemar „Waldo“ Schneider hatte die Gruppe einen orts- und sachkundigen Wanderführer. Kein Wunder, denn er ist in dieser Gegend aufgewachsen und hat zudem sein Jagdrevier im Mitwitzer Berg. Nach der Ankunft und der Suche nach einem, nicht mit Bußgeld bedrohten, Parkplatz in Schlossnähe stand dem Einstieg in das Tagesprogramm nichts mehr im Wege.


Schlossführung und Geschichte des Wasserschlosses Mitwitz
Die Schlossführerin, Frau Alice Ernstberger, erwies sich als überaus kompetente Kennerin der Geschichte der Anlage. Ihr „Formulierungstalent“ war bestens geeignet, beim Besucher Interesse und Aufmerksamkeit während der gesamten Führung hochzuhalten. Was nicht immer bei allen gelang. Sie überspielte mit Humor die sich bildenden Diskussionsgrüppchen mit dem Kommentar: „Heut` hab ich wieder eine Schulklasse vor mir“.
Deshalb in Stichworten nochmals die Schlossgeschichte zur Erinnerung: 1266 erstmals urkundliche Erwähnung des Wasserschlosses Mitwitz als Lehen des Bamberger Fürstbischofs an den Freiherrn von Schaumberg/Thür. 1425 werden die Herren von Rosenau die neuen Besitzer. Im Bauernkrieg werden Schloss und Dorf geplündert und 1525 durch einen Brand teilweise zerstört. 1575 erwirbt mit Hieronymus von Würtzburg ein Angehöriger dieses fränkischen Adelsgeschlechts das bis dahin nur notdürftig instandgesetzte Wasserschloss. 20 Jahre später lässt Hans Veit I. von Würtzburg das Schloss im Stil der Renaissance wieder aufbauen, der trotz mehrerer Sanierungen bis heute sein äußeres Erscheinungsbild prägt. Der Innenhof wird durch den Neptunbrunnen aus dem 18. Jahrhundert und die um 1575 entstandene Sandsteinstatue „der Fränkische Ritter“ geprägt. 1922 verstarb der letzte männliche Vertreter dieses Adelsgeschlechts, Freiherr Ludwig von Würtzburg. Seine Tochter Annie von Würtzburg heiratete in die Familie von Cramer – Klett ein. Dadurch wechselten die beiden Mitwitzer Schlösser den Besitzer. Die Familie Cramer-Klett schloss Ende der 1970 er Jahre mit dem Landkreis Kronach einen Nutzungsvertrag für 99 Jahre ab, der das Schloss im Gegenzug von 1977 bis 1979 auf seine Kosten grundlegend sanierte. Es beherbergt heute die Ökologische Bildungsstätte Oberfranken sowie die Imkerschule Oberfranken mit dem Imkereimuseum. Schloss und Park werden zudem für kulturelle Veranstaltungen, Märkte und Feste genutzt. Schlossführungen finden von Mai bis September statt.


Rettung der Frankfurter Stadtbibliothek

Zum Schutz vor Bombenangriffen wurde die Frankfurter Stadtbibliothek kurz vor dem Ende des 2. Weltkriegs in das Schloss verbracht. In dieser Zeit arbeitete die bekannte Sängerin Anneliese Rothenberger in der Bibliothek. 2014 fanden hier Dreharbeiten für den Märchenfilm „Die drei Federn“ statt.


Ausführliche Tour

Unsere Schlossführerin gönnte uns eine ausführliche Rundreise durch das dreistöckige Vierflügelbauwerk. Dank ihrer sachkundigen Erläuterungen erhielten wir ein lebendiges Bild adligen Lebensumfeldes seit dem 30-jährigen Krieg bis in die Neuzeit.
Wir sahen endlose Flure und ungezählte Zimmer, bestückt mit ebenso ungezählten Schränken, wertvollen Porzellangeschirren, Jagdutensilien, Wappen und Bildern bedeutender Persönlichkeiten, die das Schloss im Laufe der Jahrhunderte bevölkert haben. Beeindruckt haben uns Decken behängt mit seltenen holzgeschnitzten Kronleuchtern, Betten, Tische und vielfältig nutzbare Sitzgelegenheiten, stoffbespannte und papierene, phantasievoll bemalte Wandtapeten und wir durften uns an den gut erhaltenen Kachelöfen erfreuen. Die Kommentare ähnelten sich: „Suwos däd bei mir dahemm aa neibassn.“


Auch die im sogenannten stillen Örtchen mit Leder bespannte Sitzvorrichtung rief den klammheimlichen Neid bei dieser und jenem hervor. Denn das Adelsklo strahlte auch nach Jahrhunderten noch einen Hauch von abgehobenem Luxus aus. Zu bemängeln war lediglich die ungenierte Entsorgungsmethode der Sitzungsergebnisse direkt in den Wassergraben, der das Schloss umgibt. Heutzutage würde derartiger Umweltfrevel für behördliche Schnappatmung mit anschließender Bußgeldgarantie sorgen. Zum Abschluss durften wir noch einen Blick in die ehemalige Schlosswache und die frühere Schlossküche werfen. Nochmals Anerkennung und einen herzlichen Dank an Frau Ernstberger für ihre aufschlussreichen Ausführungen.


Mittagessen im Hotel-Gasthof Wasserschloss

Dort war bereits vorbestellt. Die freundliche Bedienung sorgte routiniert für die Erstversorgung mit Getränken und die Bestellungen nach Ende des Speisekartenstudiums. Lebhafte Tischgespräche breiteten den üblichen Geräuschteppich eines Stammtisches aus. Das Durchschnittsalter bestimmte wie so oft die Mehrzahl der Gesprächsthemen. Im Wartezimmer des Hausarztes geht es bis auf die Lautstärke ähnlich zu. Der Koch hatte gute Arbeit geleistet. Zufriedene Gesichter allenthalben deuteten darauf hin, dass die gutbürgerliche Küche der gehobenen Art auch ankam.

Gruppe 10 19

Zeit für die Rundwanderung auf dem Häuslesweg
Der Verdauungsspaziergang entwickelte sich an diesem Tag zu einer veritablen Wanderung mit einer Strecke von ca sieben Kilometern. Unsere Tour führte zu einer Reihe historisch bedeutsamer Orte, für die unser Wanderführer eine interessante Geschichte zu erzählen wusste. „Bestimmt könnte er auch Schlossführer“.
Der steinerne Löwe Gleich hinter dem südlichen Ortsausgang von Mitwitz zweigt ein ansteigender Waldweg von 40 Höhenmetern ab, der über den Mitwitzer Berg zum kleinen Ort Häusles führt. Dabei gelangten wir nach ca. 200 m zur Grotte mit dem aus Sandstein gemeißelten Steinernen Löwen. Waldo erklärt uns, welche geschichtliche Bewandtnis es mit dem Kunstwerk hat, das viele Jahre von Bäumen eingewachsen und erst in den letzten Monaten wieder freigeschnitten worden war:
1894 war Baronin Annie von Würtzburg, eine gebürtige Engländerin, die Mutter des Reichsrats Ludwig Freiherr von Würtzburg, verstorben. Ihr Sohn ließ seine Mutter, die er sehr geliebt hatte, auf dem Friedhof von Mitwitz beerdigen. Baronin Annie von Würtzburg trug als gebürtige Engländerin den Mädchennamen Lyons (lyon = Löwe).

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An der Ankunftsstelle ihres von Bamberg geholten Sarges in Mitwitz ließ Ludwig zu Ehren seiner geliebten Mutter einen steinernen Löwen durch einen Mitwitzer Maurermeister erschaffen. Die Skulptur wurde durch sechs starke Männer unter großen Anstrengungen den Mitwitzer Berg hinauf an seinen jetzigen Standort verbracht. Dort thront er seit 1907 in einer Ruhe ausstrahlenden Haltung.


Die staanerna Mannla

Nach dieser bewegenden Geschichte über eine adlige Vaterliebe wurde auf dem ehemaligen Reitweg von Mitwitz nach Häusles die nächste Sehenswürdigkeit angesteuert . „Die staanarna Mannla stehen da schon seit „undenklichen Zeiten“, klärte uns Waldo auf. Vor vielen Jahren hätten sich die herrschaftlichen Damen und Herren derer von Würtzburg an der von schattigen und von Laubbäumen umgebenen Stelle nach erfolgreicher Jagd zum Feiern eingefunden. Freilich sei man sich da nicht ganz einig, ob diese Geschichte so hundertprozentig stimme. Es könne auch sein, dass es eine Beziehung zu den ehemaligen Steinbrüchen, die es in einer Vielzahl dort gab, zu tun hat, vermutete unser Wanderführer und wies darauf hin, dass die drei Figuren nicht immer an ihrem jetzigen Platz, sondern bis vor einigen Jahren ein Stück weiter oben im Wald gestanden hätten. Die Bedeutung dieser mit einer, wie eine Bauersfrau gekleideten Frau – mit Maichala! sowie die beiden männlichen Figuren in Arbeitskleidung? bleibt wohl bis auf weiteres im Dunkel der Vergangenheit.

War der Nikolaus da?

Wandertechnisch diente der Platz an diesem Tag als Treffpunkt mit dem Schulzentrio Volkmar, Rita und Dietrich, die, fuß- und knieläufig „gehändikäpt“, nach Anfahrt mit dem Auto eine abgekürzte Strecke per pedes bis zum Treffpunkt zurückgelegt hatten.
Was sie zu berichten hatten, hörte sich nach einer unheimlichen Begegnung der dritten Art an. An einer einsamen Wegegabel habe man durch Sankt Nikolaus hinterlassene Spuren gesichtet. Offensichtlich sei er kurz vor uns in Waldos Jagdrevier gewesen. Denn er hat als Beweis seiner Anwesenheit einen mit Christbaumkugeln festlich geschmückten Tannenbaum zurückgelassen. Klar, auch die Heiligen müssen für den obligatorisch alljährlich stattfindenden Weihnachtsstress einige Trainingseinheiten „vor Ort“ einlegen.

Auf dem Rückweg

Nach der Rast setzten die noch fitten Wanderfreundinnen und –Freunde ihre Wanderung in das Urlaubs- und Erholungsörtchen Häusles fort.
An der Strecke lohnte sich ein eindrucksvoller Blick nach Thüringen.

Gruseliges auf dem Rückweg

Über einen gut ausgebauten Forstweg direkt am Ufer der Steinach entlang ging es zum dort gelegenen Gedenkstein mit Hinweistafel für den sogenannten Mitwitzer Galgen.
Tatsächlich sei dort der Platz mit dem Rad der ehemaligen Richtstätte des Gerichts Hassenberg gewesen, werden wir durch Waldo über den wahren Sachverhalt aufgeklärt. Noch vor einigen Jahren habe man als abschreckendes Zeugnis einer vergangenen Zeit den Pfahl des Rades betrachten können. Der Pfahl sei nach dem Ausbau der Steinach dort entfernt und in den Keller des Mitwitzer Rathauses transportiert worden. Ein gewisser Nikolaus Hoffmann sei der letzte gewesen, der hier hingerichtet wurde.
Schaudern rief Waldos detaillierte Beschreibung des Vollzugs der Bestrafung durch das „Rädern“ hervor. Es sei wohl die qualvollste Todesstrafe für Mörder und Räuber in alter Zeit gewesen. Den Verurteilten seien mit dem Rad die Knochen zerschlagen worden. Dann seien sie mit dem Rücken auf das Rad gelegt und darauf geflochten, d.h., festgebunden/eingebunden worden. Schließlich habe der Scharfrichter so lange auf den Delinquenten eingeschlagen bis dessen Tod eintrat.

Zum Abschluss Treffpunkt Cafe

Nach einem ereignisreichen Tag fanden sich viele Wanderfreunde am vereinbarten Treffpunkt Cafe Boxan/Lenker wieder ein. Die einen mehr, die anderen weniger geschafft. Bei Kaffee und Kuchen herrschte große Einigikeit darüber, dass wir mit dem Wetter Glück hatten und einen gelungenen Tag bei Sonnenschein und herbstlich frischer Waldluft miteinander erleben durften. An dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön an Volkmar Schulz und Waldemar Schneider für die gründliche Vorbereitung einer lehrreichen Führung. Nicht zu vergessen unsere zuverlässige Kassenwartin Karin Schneider, die energisch wie immer, für das Einsammeln der Eintrittsgelder und die Abrechnung gesorgt hat.
Der Advent ist nicht mehr fern Wir sehen uns wieder am 10. Dezember im SG Jugendheim in Weißenbrunn zur Adventsfeier.

Dietrich Schulz